ESG ist auch bei Real Estate Debt Fonds angekommen – ungeachtet ihrer oft kurzen Laufzeiten. Wie die Transformation in ein Artikel 9 Produkt gelingt - ein Erfahrungsbericht. Von Raphael B. Wowra MRICS
Seit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (Sustainable Finance Disclosure Regulation - SFDR) im März 2021 werden Fondsanlagen in drei Kategorien eingeteilt, um die Transparenz und Nachhaltigkeit von Finanzprodukten zu verbessern und Greenwashing zu verhindern. Die Rede ist von Artikel 6, 8 und 9, die definieren, was Fonds zu grauen, hellgrünen und dunkelgrünen Produkten macht.
Artikel 6-Fonds müssen keine konkreten Nachhaltigkeitsmerkmale ausweisen, aber ESG-Risiken berücksichtigen. Artikel 8-Fonds erfüllen ökologische und soziale Merkmale und Artikel 9-Fonds verfolgen eine konsequent nachhaltige Anlagestrategie mit konkretem Impact zum Erreichen definierter Nachhaltigkeitsziele. Artikel 8- und Artikel 9-Fonds müssen zudem dem “Do No Significant Harm”-Ansatz der EU-Taxonomie folgen, Das bedeutet, dass sie keines der folgenden sechs Umweltziele der EU beeinträchtigen dürfen:
- Schutz der Biodiversität
- Reduzierung von Umweltverschmutzung
- Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien
- Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen
- Anpassung an den Klimawandel
- Förderung einer Kreislaufwirtschaft
So könnte ein Artikel 9-Immobilienfonds beispielsweise Investitionen in Gebäude tätigen, die hohe Energieeffizienzstandards erfüllen, nachhaltige Bauweisen aufweisen oder erheblich zur Verringerung von Treibhausgasemissionen beitragen. Kreditfonds, die gemäß Artikel 9 klassifiziert sind, finden sich auf dem Markt allerdings nach wie vor selten.
Nach wie vor Zweifel
Wie kann das sein, wo doch die Mehrheit der institutionellen Investoren die Auswirkungen ihrer Anlageentscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft berücksichtigen? Zum einen gibt es nach wie vor Zweifel an der Effektivität der aktuellen Klassifizierungen und der Definition von „strenger Nachhaltigkeit“. Manche Akteure warten ab mit dem Hinweis auf die nicht hundertprozentig ausgearbeitete Regulatorik oder aus Angst vor möglichen Reputationsschäden durch Vorwürfe, Greenwashing zu betreiben.
Abwarten ist jedoch keine Option. Denn die Regulatorik wird sich permanent weiterentwickeln. CO2-Grenzwerte werden im Zuge des fortschreitenden Klimawandels weitere Anpassungen erfahren, Baustoffe unter immer neuen Kriterien auf ihre Umwelt- und Sozialverträgliochkeit geprüft. Je früher man sich also mit dem Produkt „nachhaltige Fonds“ beschäftigt, desto besser. Hauptsache, die Richtung stimmt, auch wenn bestimmte Grenzwerte noch nicht bis zur dritten Nachkommastelle definiert wurden. Und: Nur die konkrete Erfahrung eines ESG-Transformationsprozesses macht uns fit für das sich dynamisch ändernde Marktumfeld. Sonst wird die Lücke zum Erfüllen der Anforderungen immer größer. Also loslegen. Doch wie?
Pragmatismus hilft
Auch wenn viele Details noch schwammig formuliert sind: Es gibt konkrete Anforderungen von Seiten des Gesetzgebers. Artikel-9-Investments sollen Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen sowie Städte und Siedlungen inklusiver, sicherer, widerstandsfähiger und nachhaltiger machen. Die Übersetzung solcher mitunter überambitioniert anmutenden Vorgaben auf die Investitions- und Objektebene ist die große Herausforderung, die die Manager von Debt Fonds zu bewältigen haben.
Bei der Umwandlung unseres FAP Debt Fonds von Artikel 6 zu Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung galt es im Vorfeld, klare Green-Loan-Kriterien zu definieren und alle Finanzierungen nur noch nach diesen Vorgaben zu vergeben. Gemeinsam mit einem Beratungshaus wurde in Anlehnung an die Kriterien der EU-Taxonomie, des Carbon Risk Real Estate Monitors (CRREM) und weiteren einschlägigen Best-Practice-Ansätzen über zwei Jahre lang ein eigenes Scoring-Modell erarbeitet. Der gesamte Prozess dauerte mehr als zwölf Monate.
Unsere Erfahrung: Gerade in der Arbeit mit Bestandsimmobilien ist die Erfüllung aller Auflagen herausfordernd. Zur Messung der Nachhaltigkeit werden andere Merkmale zugrunde gelegt als bei Neubauten – etwa die Reduktion des Primärenergiebedarfs oder die Reduktion der CO2-Emission. Und wenn es konkret wird, sind die EU-Regulatoren oft viel pragmatischer als befürchtet. Viele Zweifelsfälle, auslegbare Vorgaben und Unklarheiten können im offenen Dialog mit den Regulatoren geklärt werden. So gibt es längere Übergangsfristen für Bestandsinvestments: Die Reklassifizierung des FAP Balanced Ral Estate Financing I gemäß SFDR, Art. 2, Abs. 17 trat bereits zum 1. Juni 2023 in Kraft, obwohl erst 60 Prozent der Investments Artikel-9-konform waren. Bis Ende 2024 werden wir die 90-Prozent-Marke knacken. Und selbst wenn die Vorgaben sich ändern und die Anforderungen strikter werden: Wir sind gerüstet und können mit vergleichsweise wenig Aufwand nachbessern.
Raphael B. Wowra MRICS ist Senior Investment Manager bei der FAP Invest GmbH.
